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PM 12.07.2024 zum Aktionsplan des Bundeskabinetts: „Gesundheit rund um die Geburt“

PM 12.07.2024 Stellungnahme Aktionsplan rund um die Geburt S1_S2

Pressemitteilung

Stellungnahme für seelisch gesunden Lebensbeginn

Bundeskabinett hat Aktionsplan „Gesundheit rund um die Geburt“ beschlossen

Seit 2017 ist das Nationale Gesundheitsziel: Gesund rund um die Geburt von den Ländern und dem Bund verabschiedet worden. Aktuell liegt ein Kabinettsbeschluss über konkrete Handlungsempfehlungen vor, der vom Bundesgesundheitsministerium kommuniziert wurde. Im Aktionsplan der Bundesregierung „Gesundheit rund um die Geburt“ werden vier Handlungsfelder in den Blick genommen:

Handlungsfeld 1:        Versorgungsstrukturen rund um die Geburt sicherstellen
Handlungsfeld 2:        Interprofessionelle und intersektorale Zusammenarbeit rund um die Geburt stärken
Handlungsfeld 3:        Qualität der Betreuung rund um die Geburt weiterentwickeln
Handlungsfeld 4:        Information, Aufklärung und Gesundheitskompetenz rund um die Geburt verbessern

Im Einzelnen bedeutet dies konkret: Die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe rund um die Geburt soll bereits während der Ausbildung konkretisiert werden, um eine bessere Qualität der Geburtshilfe zu gewährleisten. Der Aktionsplan empfiehlt darüber hinaus den Ausbau hebammengeleiteter Kreißsäle, um unnötige medizinische Interventionen bei Frauen mit einem geringen Risiko für Komplikationen zu vermeiden. Die einhergehende Verbesserung der Betreuungsquote soll auch dazu beitragen, dass in wesentlichen Phasen der Geburt eine 1:1-Betreuung durch eine Hebamme gewährleistet wird.

Weiterhin solle die Weiterentwicklung der medizinischen Leitlinien gefördert werden. Nicht erwähnt wird in diesem Zusammenhang die spätestens Ende 2026 zu veröffentlichende neue S3-Leitlinie Peripartale Psychische Störungen, an welcher der bkj mitwirkt.

Um Information und Aufklärung rund um die Geburt oder das Stillen zu verbessern, werden bestehende Informationsangebote aktualisiert und ergänzt. Insgesamt lässt sich jedoch feststellen, dass die psychische Gesundheit der Kinder nur peripher in den Blick genommen wird.

Für uns Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen sind die verabschiedeten Maßnahmen nicht ausreichend. Im Nationalen Gesundheitsziel wird unsere Berufsgruppe als handelnde Akteurin benannt, zur Anhörung wir wurden jedoch nicht eingeladen. Gerade im Hinblick auf die seelische Gesundheit der Kinder ist diese früheste Lebensphase eine entscheidende Basis. Alles was Geburt interventionsärmer macht ist gut für Ungeborene, Neugeborene und Säuglinge. Mit Blick auf den Aktionsplan werden originäre Kinderbedürfnisse jedoch nur am Rande gestreift. Insbesondere für die 8,8 % Frühgeborenen braucht es ein breiteres Spektrum an interdisziplinären Frühförderangeboten, um die Prävalenzraten für psychische Störungen im weiteren Lebensverlauf zu senken. Auch hierbei muss unbedingt die Mutter-Kind-Dyade unter Einbeziehung des Vaters berücksichtigt werden; da nur die Hälfte dieser Väter eine sichere Bindung zum Kind aufbaut – mit all den möglichen psychischen Folgen.

Neben dem Ausbau und der Verstetigung der Frühen Hilfen braucht es auch eine umfassende Versorgung von psychisch belasteten Familien als Präventionsansatz, um spätere psychische Störungen der Kinder und Jugendlichen zu vermeiden.

„Frühe Hilfen sollten zudem nicht nur für Familien in soziökonomisch prekären Lebenslagen oder dysfunktionalen Elternhäusern gelten, sondern auch für von postpartaler Depression und PTBS betroffene Mütter oder anderweitig belastete Familien. Bundeszuschüsse müssen bei den Städten und in ländlichen Regionen gleichwertige Lebensverhältnisse gewährleisten. Unterstützung für Familien muss in reichen wie armen Bundesländern, reichen sowie armen Kommunen ankommen.“ fordert Dr. Inés Brock-Harder, Vorsitzende des bkj.

Auch die zeitnahe Versorgung für psychisch kranke junge Eltern und Kleinstkinder mit Regulationsstörungen (R0-3) muss ambulant wie stationär gewährleistet sein. Hier gibt es weiterhin eine große Versorgungslücke.

Die Handlungsempfehlungen sind ein begrüßenswerter erster Schritt, der jedoch intersektoral noch ausgebaut werden muss.

Dr. Inés Brock-Harder