Stellungnahmen

Zum Bericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin

Stellungnahme zum BERICHT DER KOMMISSION ZUR REPRODUKTIVEN SELBSTBESTIMMUNG UND FORTPFLANZUNGSMEDIZIN

ARBEITSGRUPPE 2: MÖGLICHKEITEN ZUR LEGALISIERUNG DER EIZELLSPENDE UND DER ALTRUISTISCHEN LEIHMUTTERSCHAFT

Die Kommission hat sich intensiv mit den psychosozialen Aspekten auseinandergesetzt, was sehr zu begrüßen ist. Wir konzentrieren uns in der Bewertung der Empfehlungen auf die Kinder (Ungeborene, Neugeborene, Kinder, Jugendliche) und auf deren Beziehungen zu primären, signifikanten Bezugspersonen.

Legalisierung Eizellspende

  1. Die Unbedenklichkeit der Eizellspende für die Entwicklung der Kinder zu konstatieren, erscheint uns verfrüht angesichts der geringen Studienlage. Auch die bereits in Deutschland zugelassenen Methoden der assistierten Reproduktion sind auf ihre Auswirkungen im Lebensverlauf von Heranwachsenden noch zu wenig psychologisch erforscht.
  2. Kritisch sehen wir insgesamt das fehlende Interesse der Wissenschaft in Deutschland, Spenderkinder und Kinder aus assistierter Reproduktion in Langzeitstudien zu begleiten. Enthalten doch Fragen der Herkunft und Entstehung wichtige Aspekte der Identitätsentwicklung für Kinder und Jugendliche.
  3. Nicht vergessen dürfen wir hierbei, dass die Eltern und insbesondere die Mütter während der Kinderwunschbehandlung oft unter Stress stehen und medizinischen Interventionen ausgesetzt sind, die das seelische Wohlfühlen während der Schwangerschaft beeinträchtigen können. Dies verändert die Stressachse des Ungeborenen und hat lebenslange Auswirkungen. Außerdem wird der Bindungsaufbau zu Beginn der Schwangerschaft verzögert aus Angst vor einem Abort.
  4. Auch die häufigeren Mehrlingsschwangerschaften und die erhöhte Rate an Frühgeburtlichkeit und Kaiserschnittgeburten beinhalten nachweisbare Risiken für die gesunde seelische Entwicklung der Kinder, dafür gibt es inzwischen ausreichend wissenschaftliche Belege. u.a. TKK:

https://www.tk.de/resource/blob/2070676/256f3e1dc1bf0f39721db39d9b5f5a96/2019-praesentation-rupp-kindergesundheitsreport-data.pdf

  1. Auch wenn die durch assistierte Reproduktion entstandenen Kinder Wunschkinder sind, kann das Risiko bestehen, dass die Eltern die Spende geheim halten, was wiederum die Identitätsentwicklung der Kinder behindert. Wenn die Eltern überbehütend in ihrer Erziehung agieren oder auch Enttäuschungen erleben, wenn die Kinder sich nicht so entwickeln, wie gewünscht, kann das zu familiendynamischen Dysfunktionalitäten führen.
  2. Aus den Erfahrungen, die Samenspenderkinder als Jugendliche und Erwachsene gemacht haben, ist nun festgelegt worden, dass die Daten der Samenspender gesichert werden, damit das betroffene Kind später im Leben das Wissen um die eigene genetische Herkunft und mögliche Halbgeschwister abrufen kann. Dies müsste dann in jedem Fall auch für fremde Eizell- oder Embryonenspenden angewandt werden.
  3. Wie bereits bei Samenspenden beobachtet, muss in Zukunft weitestgehend verhindert werden, dass Embryonen des gleichen Spenders/gleichen Spenderin in derselben Region eingepflanzt werden, um mögliche Halbgeschwisterpaare als Lebenspartner zu verhindern (Inzestverbot).

 

Der Bundesverband für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie e.V. (bkj) sieht die Regelung mit fremden Eizellen Kinder zu zeugen aus Sicht der heranwachsenden Kinder kritisch. Dazu sollte es mehr psychologische/psychotherapeutische Forschung geben, die den Fokus auf die seelische Gesundheit der Kinder im Lebensverlauf legt.

Altruistische Leihmutterschaft

  1. Völlig von der Hand zu weisen ist diese Behauptung: „Diese Längsschnittstudien deuten an, dass sich Entwicklungsparameter von durch Leihmutterschaft entstandenen Kindern nicht unterscheiden von Kindern, die mittels anderer reproduktionsmedizinischer Maßnahmen gezeugt wurden. Insgesamt konnte keine Häufung von Auffälligkeiten gezeigt werden.“ Es gibt viele Studien zu den Erfahrungen von früh zur Adoption freigegebenen Kindern, die eine perinatale Trennung von der austragenden Mutter erlebt haben. Diese frühe Trennung hinterlässt seelische Spuren, die lebenslang nachwirken (können).
  2. Hingegen begrüßen wir „Das Grundrecht des Kindes auf Leben und körperliche Unversehrtheit gebietet es, reproduktionsmedizinische Verfahren laufend daraufhin zu überprüfen, ob sie besondere und unzumutbare gesundheitliche Risiken für die betroffenen Kinder darstellen.“
  3. Ebenfalls sollte „jede gesetzliche Ausgestaltung reproduktionsmedizinischer Verfahren … dafür Sorge tragen, dass das Recht auf Kenntnis der Abstammung für das Kind gewahrt wird“, das muss ebenso für die Bauchmutter gelten.
  4. Eine „gespaltene Mutterschaft“ und die Trennung/Weggabe unmittelbar nach der Geburt gefährdet den Bindungsaufbau des Neugeborenen, führt zu einer frühen Verlusterfahrung, die intrapsychisch abgespeichert wird und mittelfristig kann die psychische Entwicklung nicht konfliktfrei durchlaufen werden. Aus Sicht des Kindes ist Leihmutterschaft abzulehnen.

 

Der Bundesverband für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie e.V. (bkj) lehnt auch wegen der vielfältigen ethischen Bedenken, die die Kommission äußert, die Legalisierung der altruistischen Leihmutterschaft ab.

Als Beispiel sei die Großmutter zu nennen, die ein Kind für ihren Sohn austrägt, der zugleich Vater und Bruder für sein Kind ist, diese intergenerationalen Verwirrungen sind schädlich für die heranwachsenden Kinder und sollten vermieden werden.

Es gibt trotz vielfältiger Familien- und Lebensmodelle kein Recht auf ein (genetisch) eigenes Kind. Andere Modelle wie Coparenting und weiterhin Adoption und Pflegschaft kann den angenommenen Kindern helfen, liebevolle Eltern zu bekommen. Das gilt auch für Regenbogeneltern.

Wir appellieren im weiteren gesetzgebenden Verfahren diese Aspekte der psychischen Gesundheit der Kinder in den Fokus zu nehmen.

Wiesbaden, den 10.5.24

Dr. Inés Brock-Harder - Vorsitzende